Dieser Artikel ist das Ergebnis von zwei intensiven Tagen vor Ort bei Out-Trade (faltboot.de) in Ulm – dem Marktführer für Fal- und Hybridtboote in Europa – zu denen ich von Kanu-Online.com und Out-Trade eingeladen wurde. Wir haben uns dabei den Aufbau und die Konstruktion der Marken nortik, Triton advanced und Pakboats detailliert angeschaut.
Im Folgenden teile ich einige Details und praktisches Wissen zu Konstruktion und Pflege, welches ich vor Ort sammeln konnte.
1. Konstruktionsdetails und Aufbau-Tricks
Spezifisches zur Faltboot- und Scubi Hybrid-Technologie
Die Nortik Scubi Hybrid-Modelle bestehen aus zwei seitlichen Luftschläuchen und einer Kielstange, auf die zur Aussteifung Spanten gesetzt werden. Der Boden besteht nur aus der Bootshaut. Bei den Faltbooten besteht das Gestänge noch aus zusätzlichen Senten. Durch diesen dreidimensionalen Körper wird die Bootsform definiert. An den Seiten besitzen sie Luftkammern, welche die Bootshaut spannen und für zusätzliche Stabilität sorgen.

- Aufbau-Aufwand: Der Aufbau der Hybridboote der Scubi Reihe mag ein kleines bisschen aufwendiger sein, als das reine Pumpen am Luftboot. Er ist aber kein Hexenwerk und für jedermann und jederfrau machbar. Die klare Empfehlung: Die gute und detaillierte Anleitung nutzen. Nach 2 bis 3 Mal Aufbauen ist es Routine. Die Belohnung für die 5 Minuten längere Aufbauzeit sind deutlich besseren Fahreigenschaften auf dem Wasser.
- Paddelgewässer: Der Hersteller stellt offen klar: Die Hybrid- und Faltboote sind nicht für flache Gewässer mit potenziell häufigem Grundkontakt geeignet. (Den Grund berührt man immer mal und die Boote sind natürlich nicht „aus Zucker“. Aber für dauerhaftes Aufsetzen sind sie einfach nicht konzipiert.) Auf ausreichend tiefen Gewässern bieten sie jedoch den idealen Kompromiss aus Transportabilität, Aufbau-Aufwand und Fahreigenschaften.
- Tourlänge: Hybridboote (Scubi) eignen sich auch für die kürzere Tour. Faltboote sind mit knapp 30 Minuten Aufbauzeit (geübte schaffen auch 20 Minuten) etwas zeitaufwändiger und machen erst ab einer gewissen Tourlänge Sinn. Hier entscheidet jeder Paddler individuell, ab wann die festrumpfgleichen Fahreigenschaften den zusätzlichen Aufbau-Aufwand rechtfertigen.
- Performance: Die Spurtreue und der Tiefgang entstehen durch die Kielstange, die unter dem Rumpf verläuft. Die vorgespannte Form wird durch den Wasserdruck von unten verstärkt, und bildet eine V-förmige Kielform, welche für die herausragenden Fahreigenschaften sorgt. Die Scubi Boote liegen IM Wasser, nicht wie reine Luftboote AUF dem Wasser.
- Stabilität: Die seitlichen Hochdruckschläuche sorgen für Auftrieb und die notwendige Kippstabilität.

Der Dropstitch-Boden (Zubehör)
Der Dropstitch-Boden ist optional einlegbar und nicht für die guten Fahreigenschaften erforderlich. Er dient primär dem Komfort und dem Schutz.
- Komfort: Er sorgt für einen besseren Halt beim Ein- und Ausstieg (die reine Bodenplane ist sonst ein wenig „wabbelig“) und vermittelt ein stabileres Gefühl auf dem Wasser.
- Spezial-Material: Um die Bootskontur nicht negativ zu verformen (der Wasserdruck erzeugt die Kielform), wird dieser Boden extra dünn gehalten. Diese Materialstärke ist standardmäßig nicht erhältlich und wird speziell für nortik produziert.
- Kielschutz: Der Boden fixiert und schützt die Kielstange. Sie liegt zwischen den beiden Dropstitch-Platten und kann so bei seitlichem Aufprall (z.B. auf einen Stein) nicht verbiegen.
Seesocke (Zubehör)
Die Seesocke ist ein Sicherheitselement mit einem zusätzlichen Feature: Sie hält das Boot sauber
- Sicherheit: Sie ist ein Sicherheitsfeature auf Großgewässern, da sie bei Kenterung vor einem volllaufenden Boot schützt. Sie macht vor allem bei den dichten Faltbooten Sinn. Im Falle einer Kenterung muss man also „nur“ die Seesocke ausleeren und nicht das komplette Kajak, welches durch die abgeschotteten Bereiche auch weiter Schwimmfähig bleibt und nicht komplett absäuft.
- Reinigung/Komfort: Bei den Scubi-Modellen hält die Seesocke das Boot sauber. Bei schlammigen Ein- und Ausstiegen verbleibt der gesamte Dreck in der leicht auswaschbaren Seesocke (waschmaschinengeeignet), was den Reinigungsaufwand nach der Tour spart.

Wichtige generelle Handhabungstipps
- Lehne: Die Lehne sollte erst gespannt werden, wenn das Boot komplett aufgeblasen ist, da eine zu feste Spannung vor dem Aufpumpen extreme Kräfte auf die Beschläge wirken lassen kann.
- Beim Abbau wird die Lehne am besten auf einer Seite gelöst. Zum Schutz vor Verknicken beim Einklappen der Haut sollte sie am Rand auf die Sitzfläche gelegt werden. Durch die dort verbauten Stangen knickt das Boot in diesem Bereich nicht ein.
- Tragen (Allein/Zu zweit):
- Scubi Modelle: Niemals an den Schenkelgurten anheben! (Ungünstige Belastung der Beschläge). Allein hebt man das Boot am besten am stabilen Sitzspant an und schultert es dann. Zu zweit nutzt man die Tragegriffe und / oder trägt das Boot von unten an Bug und Heck.
- Faltbootmodelle (Argo/Navigator): Nicht direkt am Cockpit hochziehen / an der Lukenöffnung anheben! Dadurch wird der Süllrand beschädigt. Auch hier das Boot am besten am Spant anheben oder seitlich eingreifen.
- Gestänge: Mein Tipp: Baut man das Boot nicht regelmäßig auf, kann man schon mal vergessen, welches Gestängeteil wo platziert werden muss. Markierungen (z. B. Farbcodes oder fortlaufende Nummern von vorne nach hinten) am Gestänge machen den Aufbau dann umso leichter. Bei manchen Modellen sind Stangen und Elemente allerdings mehrfach in identischer Form vorhanden und können ohne Probleme untereinander vertauscht werden. Welche Markierung wo und wie Sinn ergibt, ist also von Modell zu Modell verschieden.
Spezifisches zu den Nortik Packrafts

Im Gegensatz zu den Falt- und Hybridkajaks sind die Packrafts auch für Bodenkontakt und wilderes Wasser gut gerüstet. Auch hier setzt der Hersteller auf Qualität.
- Material: einseitig TPU beschichtetes Nylon für die Seitenschläuche ist der Standard im Packraft Markt. Das Material der Nortik Packrafts ist beidseitig TPU-beschichtet. Dies erhöht die Robustheit, sollte die äußere Beschichtung mal durchstochen sein, sorgt die innere Beschichtung weiter für Dichtigkeit.
- Ventil: Der Pumpsack wird nicht geschraubt, sondern gesteckt. Das Ventil hat eine kleine Klappe. Diese verhindert bei entsprechendem Innendruck ein Ausströmen der Luft in Pump-Pausen. Beim Pumpen selber öffnet sie sich und sorgt so für ein leichtes Befüllen.
- Drucksicherheit: Mit Pumpsack und Lunge befüllt, haben die Packrafts genug Druckreserven. Es ist nicht nötig, in der prallen Sonne Luft abzulassen; geplatzte Boote sind nicht bekannt.

2. Praktisches Wissen zur Reparatur und Wartung
Die Langlebigkeit der Boote basiert auf der einfachen Reparierbarkeit und dem Ersatzteilservice von Out-Trade. Dieses ist Teil der Firmenphilosophie und eine gelebte Form von Nachhaltigkeit. Den Booten liegen statt Kleber und Flicken selbstklebende Patches bei. Im Gegensatz zum Kleber, der dank Murphy sowieso ausgehärtet ist, wenn man ihn braucht, sind die Selbstklebeflicken immer Einsatzbereit und reichen um die verletzte Stelle auf der Tour zu reparieren. Wieder daheim sollten die Patches abgezogen werden und die entsprechende Stelle „vernünftig“ geflickt werden.
Reparatur-Know-how (Haut & Gestänge)

- Profi-Methode Kleben: Generell ist Kaltkleben nicht so kraftvoll, wie eine heiß geklebte Stelle. Nach der Reinigung mit Aceton wird der Kleber auf Flicken und beschädigte Stelle aufgetragen und trocknet 10 bis 15 Minuten. Anschließend werden beide Klebeseiten vorsichtig erwärmt (Heißluftfön, maximal 250 Grad) und der Flicken aufgepresst. Für die Haltbarkeit der Verbindung ist einzig der Anpressdruck entscheidend. Daher unbedingt die geflickte Stelle so fest wie möglich anpressen. Mit einer kleinen Rolle oder einem spitzen, aber nicht scharfkantigen Gegenstand (z.B. ein Stumpf geschliffener Spatel) lässt sich ein sehr hoher Druck auf die Klebestelle ausüben. Anschließend für 24 Stunden aushärten lassen. Wer sich die Reparatur nicht zutraut kann sich natürlich auch an Händler oder Hersteller wenden.
- Außenhaut Flicken: Sollte der Boden unterwegs geflickt werden, sollten die selbstklebenden Flicken beidseitig angebracht werden (innen und außen). Diese doppelte Versiegelung verhindert, dass Wasser zwischen Material und Flicken dringt.
- Gestänge-Reparatur: Sollten die Plastikanbauteile mal brechen, so können hier die Nieten aufgebohrt und nur das beschädigte Teil ersetzt werden. Und auch bei den Faltbooten können einzelne Stangensegmente ausgetauscht werden. Natürlich sind aber auch die kompletten Stangen, Spanten, Senten und Steven als Ersatzteil erhältlich.
- Ersatzteile: Out-Trade hält für sämtliche Bauteile einen Vorrat an Ersatzteilen. Auch für bereits ausgelaufene Modelle werden immer noch Ersatzteile auf Lager gehalten.

Lagerung und Reinigung
- Lagerungs-Geheimnis: der Hersteller empfiehlt das Boot nicht leicht aufgeblasen zu lagern. Durch Kondenswasser in den aufgeblasenen Schläuchen kann Schimmel entstehen, welcher das Material angreift. Das Boot gehört trocken und zusammengeklappt in den Packsack.
- Salzwasser-Pflege: Die Stangen müssen vor dem Einsatz in Salzwasser mit Corrofilm behandelt werden. Nach dem Einsatz, spätestens wenn man wieder zuhause ist, muss das Gestänge mit Sußwasser abgespült werden.
- Reinigung: Nach dem Einsatz sollten die Boote mit Wasser gesäubert werden. Für hartnäckige Verschmutzung (z.B. grüne Algenspuren) bietet Nortik einen nahezu Wunder wirkenden „Super Reiniger“ an, welcher auch noch ökologisch abbaubar ist. Wichtig: Diesen nicht ständig, sondern nur bei starker Verschmutzung nutzen. Übrigens, was an Land ökologisch abbaubar ist, ist es noch lange nicht im Wasser. Daher das Boot nur an Land säubern und anschließend gründlich mit klarem Wasser abspülen, damit der Reiniger nicht ins Gewässer gelangt.
Fazit:
Bei Out-Trade brennt man für seine Produkte, nimmt Kundenfeedback ernst und verbessert seine Modelle kontinuierlich. Und die Angst vor dem Aufbau der Falt- und Hybridboote ist eigentlich unbegründet. Zwei spannende und lehrreiche Tage haben zudem den ein oder anderen Geheimtipp hervorgebracht. Und auch sehr wichtig, jede Menge Spaß gemacht!
Übrigens, die Packrafts von Nortik und die Scubi Modelle findest du auch in meinem Luftbootfinder.


